Als Ursula Jetter mich vor Wochen anrief, um mich von dieser Ehrung zu verständigen, sagte sie auch, sie wüsste eigentlich nicht, wofür sie sie erhalten habe.
Wenn man nun, verehrte Festgäste, in Betracht zieht, dass Ursula auf eine langjährige Tätigkeit als Musiktherapeutin bei der Psychiatrischen Klinik Winnenden zurückblickt, wo seinerzeit auch ein gewisser Nikolaus Lenau Insasse war, dass sie im Rahmen der Schreibwerkstatt in Ludwigsburg zahllose Schreibtalente entdeckt, begleitet und gefördert, jahrzehntelang die „Exempla“ als älteste württembergische Literaturzeitschrift herausgegeben hat und dafür, Nummer für Nummer, die dazu erforderlichen Mitarbeiter gewinnen und animieren musste, dabei auch noch, wie nebenher, zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht und mit Lesungen daraus die wesentlichen literarischen Veranstaltungen dieser Region belebt und bereichert hat, da fragt man sich einigermaßen verdutzt: und so jemand weiß nicht, wofür er, oder besser: sie geehrt wird? Hauptsache, die sie dir verliehen haben bzw. die davon Betroffenen wissen es!
Was bei all ihrem öffentlichkeitswirksamen Wirken verblüfft, ist die Zurückhaltung, die sie dabei an den Tag legt, das Zurücktreten hinter die Sache; gerade bei Betätigungen, bei denen man sozusagen das Innerste nach außen kehrt, nun wirklich keine Selbstverständlichkeit: sich so zurückzunehmen, dass allein die Sache zählt, für die sie eintritt: das ist, um mit Bert Brecht zu sprechen, „das Einfache, das schwer zu machen ist“. Dafür gebührt dir in vollem Umfang unsere Anerkennung – und eben auch diese hohe und hochverdiente Auszeichnung, zu der ich auch im Namen des Präsidiums des Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder, ganz herzlich gratuliere!
„Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es“ heißt es bei Erich Kästner. Man sollte sich diesen Ausspruch bis in die Interpunktion hinein genau ansehen, um ihn richtig zu verstehen: Kästner setzt hinter „Gutes“ einen Punkt, das heißt: das Gute an sich gibt es nicht. Nun aber erfolgt der Trost durch den Dichter: „Außer man tut es“, es ist „das Rettende“ also durchaus möglich, wo auch immer man selber im Kleinen wirkt. Und dafür, liebe Ursula, dass du davor nicht zurückgeschreckt bist, danken wir dir!

Hellmut Seiler

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