1. Der 11. Weltkongress des International P.E.N. Clubs vom 25. bis 28. Mai 1933 in Dubrovnik legte die Grundlagen für die Spaltung des deutschen P.E.N. in Anhänger des nationalsozialistischen Regimes und ihre ideologischen Gegner. Ernst Toller hatte im Sitzungssaal des dortigen städtischen Theaters Hitler-Deutschland der Verletzung der Menschenrechte angeklagt, scharf gegen die Bücherverbrennungen, Rassendiskriminierung und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit protestiert. Seine dezidiert politische Haltung gegenüber willkürlichen Handlungen von Diktaturen war bereits auf dem P.E.N.-Weltkongress 1932 in Budapest das Signal für eine couragiertere, öffentlichkeitswirksame Position des International P.E.N. Bald nach dem Kongress in Dubrovnik musste das Exekutivkomitee feststellen, dass die regimetreuen Mitglieder des deutschen P.E.N. die Grundsätze des P.E.N. missachteten. Es stimmte deshalb der Bildung einer autonomen P.E.N.-Gruppe, bestehend aus deutschen Exilanten, in London zu. Unter den Gründungsmitgliedern waren die außerhalb Deutschlands lebenden Bernhard von Brentano, Lion Feuchtwanger, Bruno Frank, Max Herrmann-Neisse, Heinrich und Klauis Mann, Enst Toller und Arnold Zweig. Offiziell etablieren konnte sich der „Deutsche P.E.N.-Club im Ausland“ bereits Mitte Juni 1934 in Edinburgh. Unter seinem gewählten Präsidenten Heinrich Mann, dem Generalsekretär Rudolf Olden wie auch dessen Nachfolger überlebte der Club den Zweiten Weltkrieg. Ein erstes institutionelles Lebenszeichen kam von Walter A. Berendsohn, der im Juni 1946, auf dem Kongress des International P.E.N. in Stockholm als Sprecher der deutschen Exil-Gruppe des PEN die Neugründung eines PEN-Zentrums in Deutschland beantragte.
2. Dieser Klub, der sich in der ästhetischen und ideologischen Auseinandersetzung mit dem SDS (Schutzbund deutscher Schriftsteller) herausgebildet hatte, stellte 1956 das Vorbild für diejenigen aus den kommunistischen Staaten geflüchteten Schriftsteller dar, die in der Bundesrepublik für ihre schriftstellerische Arbeit ein dauerhaftes Asyl suchten. Die zunächst lockere Namensgebung „Zentrum der Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder“ knüpfte an die Exil-Gruppe deutscher Schriftsteller im Ausland an. Doch im Gegensatz zu der immer zahlreicher werdenden Gruppe der meist aus Großbritannien zurückkehrenden Autoren, die ihre Muttersprache wieder als Grundlage für Verlagsveröffentlichungen benutzen konnten, musste ein beträchtlicher Teil der aus Osteuropa in die Bundesrepublik Deutschland geflüchteten Schriftsteller und Journalisten erst die Zielsprache Deutsch erst erlernen. Für den ersten Präsidenten der deutschen Sektion im International PEN, Kasimir Geza Werner, spielte die Anpassung an die deutschsprachige Kulturlandschaft keine Rolle. Der am 29.3.1900 in Pankota, einer Kleinstadt im ungarischen Teil des Banat, geborene Werner, stammte aus einer so genannten volksdeutschen Familie. Er besuchte in Temeswar und Budapest ungarische Schulen, studierte Medizin in Budapest, schrieb als Assistenzarzt erste Opernlibrettos und arbeitete in den frühen Zwanziger Jahren als Dramaturg und Regisseur an verschiedenen deutschen und ungarischen Theatern. Nach seiner Flucht aus Deutschland gab er zwischen 1935 und 1939 in Budapest mehrere Zeitschriften heraus und veröffentlichte Erzählbände. Er war jüdischer Abstammung und entging 1944, verfolgt von den ungarischen „Pfeilkreuzlern“, nur knapp der Deportation nach Auschwitz. Nach dem Zweitem Weltkrieg verbrachte er zehn Jahre in Israel, kehrte 1955 mit seiner Ehefrau nach Berlin und übersiedelte aus gesundheitlichen Gründen zunächst nach Bad Nauheim, 1968 dann nach Darmstadt.
Von dort aus lenkte er die Geschicke des Exil-P.E.N. Obwohl er bereits 1956 als Präsident des Exil-PEN fungierte, gibt es widersprüchliche Angaben über den institutionalisierten Beginn der Tätigkeit dieser Vereinigung. Bei der Vierzigjahresfeier des Exil-PEN im Jahre 1996 in Wesseling bei Bonn, ging man, wie der Chronist Josef Walter König schrieb , von einer Gründung im Jahr 1956 aus. Da über die ersten Jahre der Exil-PEN-Vereinigung keine archivarischen Bestände existieren, ist zu vermuten, dass sich in der nicht dokumentierten Interims-Periode ein Freundeskreis sporadisch zusammentraf. Ein besonders eindrucksvolles literarisches Dokument ihrer Aktivitäten war die 1970 veröffentliche Anthologie „Literatur ohne Heimat“ . Sie vereinte renommierte und in Deutschland noch nicht bekannte Autoren aus drei Emigrationswellen, unter denen auch die - nach der Niederschlagung der reformsozialistischen Bemühungen im Herbst 1968 - in Westeuropa Asyl suchenden Schriftsteller und Journalisten gehörten. Diese vorwiegend sozialistisch orientierten Intellektuellen, der zweite „Zusammenflug“ (tschech. slet) nach 1945, wie Franz Peter Künzel sie in seiner Besprechung der Anthologie bezeichnete , widerspiegelte auch die unterschiedlichen literarischen Strömungen und politisch-ästhetischen Orientierungen in der Nachkriegsliteratur der Tschechoslowakei. Unter denen die im Sammelband ausgewählten Autoren überwogen Vertreter des Vorkriegs-Exils, so dass kein repräsentatives literarisches Spektrum der experimentell aufgeladenen 1960er Jahre vertreten war.
Nach Geza Werners erneuter Wahl zum Präsidenten 1974 setzte sich der Vorstand des Exil-P.E.N. aus folgenden Funktionsträgern zusammen: Dr. Antonin Kratochvil und Dr. Gyula Borbandi als Vizepräsidenten, Generalsekretär wurde Dr. Rudolf Ströbinger. Während über die vereinsspezifischen Unternehmungen keine Unterlagen zur Verfügung stehen, sind die literarischen und kulturpolitischen Aktivitäten von Kasimir Gesa Werner dokumentiert. In dieser Zeit schrieb er „ein Theaterstück, Novellen, Aphorismen, Reden für Kongresse, Resolutionen und Romane.“ Darunter den Roman „Nie wieder gestern“ (1970) und Erzählungen unter dem Titel „Spätlese“ (1975). Er war oft Gast auf den Jahresversammlungen der Deutschen P.E.N. und beteiligt sich an den Diskussionen. Auch sein Engagement für in zahlreichen Diktaturen eingekerkerte Schriftsteller zeichnete ihn aus. Er ließ auf internationalen Kongressen Resolutionen unterschreiben. Für sein vorbildliches öffentliches Engagement erhielt er von der Stadt Darmstadt 1970 die Johann-Heinrich-Merck-Ehrung, 1976 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse wie auch das Diplom der von der Akademie Francaise geförderten Kultur-Institution „Arts-Sciences-Lettres“. Das Land Hessen dankte ihm 1980 für seine Verdienste mit der Goethe-Plakette. Seit 1969 gehörte er dem Vorschlagsgremium für den Literaturnobelpreis an, eine Würdigung seiner Verdienste um den internationalen Literaturbetrieb, ein Privileg, das der Exil-PEN deutschsprachiger Länder noch im 21. Jahrhundert genießt.
1976 stellte Kasimir Geza Werner sein Amt zur Verfügung. Er wurde zum Ehrenpräsidenten der Vereinigung exilierter Schriftsteller und Journalisten gewählt, mit Sitz und Stimme im neuen Präsidium.

3. Als Gabriel Laub im Jahr 1976 – nach der kurzen Amtszeit der aus Lettland stammenden Zeltite Hesse (1915-1982) - zum Präsidenten des Exil-PEN-Clubs gewählt wurde, hatte sich der Satiriker und Erzähler in der bundesdeutschen Literaturöffentlichkeit bereits ein hohes Renommee verschafft. Er emigrierte nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Warschauer Paktstaaten in die Bundesrepublik Deutschland, weil er als engagierter Journalist und als Verteidiger des kommunistischen Reformkurses vom Berufsverbot bedroht war. Seit 1969 in Hamburg lebend fand er bald, nicht zuletzt auch aufgrund seiner rasch erlernten neuen Arbeitssprache den Zugang zu anerkannten bundesdeutschen Verlagen. Mit Titeln wie „Enthüllung des nackten Kaisers“ (1970), „Ur-Laub zum Denken“ (1972), „Verärgerte Logik“ (1974), „Alle Macht den Spionen“ (1978), „Der leicht gestörte Frieden. Von der hohen Kunst, einander die Köpfe einzuschlagen“ (1981) hatte er nicht nur den Nerv der bundesrepublikanischen Gesellschaft getroffen, sondern ihr auch in seinem satirischen Spiegelkabinett ein Bündel an Lächerlichkeit, Starrsinn und Kurzsichtigkeit um die Ohren geschlagen. Dabei lieferte er sich als bitterböser Verfasser von Aphorismen einer Öffentlichkeit aus, die danach strebte, ihr immer noch vorhandenes Obrigkeitsdenken in demokratische Bahnen zu lenken. Dass sie dieses satirische und aphoristische Angebot annahm, gehört zu den bemerkenswerten Erscheinungen einer kamouflierten antisemitischen bundesrepublikanischen Gesellschaft. Mehr noch: dass ein polnischer Jude, der in seiner Kindheit in den frühen 1930er Jahren mit dem polnischen Antijudaismus konfrontiert wurde, mit seinen Eltern 1939 vor dem Nazi-Terror in die Sowjetunion flüchtete und nach seiner Rückkehr nach Polen im Jahr 1946 in die Tschechoslowakei auswanderte, diesen Lernprozess beförderte, verweist auf den kognitiven und mentalen Wandel einer Öffentlichkeit, die bis dato auch den kritischen Stimmen aus den kommunistischen Ländern misstraute. Sicherlich entstand auch ein noch vertrauensvolleres Verhältnis zu dem engagierten Verteidiger der Bürger- und Menschenrechte, als er gemeinsam mit Francois Cavanna und Art Buchwald für die Aufsehen erregende Publikation der Amnesty International „Shut up“ (1977) das Geleitwort schrieb. „Der Kampf für die Menschenrechte anderer ist keine Wohltätigkeit. Es ist Selbstverteidigung.“ Dass aus dieser Verteidigung in eigener Sache eine System überschreitende Angelegenheit wurde, verdeutlichte Gabriel Laub bereits im Herbst 1976 unmittelbar nach seiner Wahl zum Präsident des Exil-PEN. Er protestierte gemeinsam mit hunderten deutscher Bürger gegen die willkürliche Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR.
4. Ein herausragendes Ereignis in seiner Amtszeit war die Tagung der Exekutive des International P.E.N. im Mai 1977 in Hamburg. Sie wurde vom deutschen Exil-P.E.N. vorbereitet, wobei „die Hauptlast der Organisationsarbeit von Gabriel Laub und seiner Generalsekretärin Bettina Vadasi-Flinker zu tragen war.“ (König)
Aus Anlass der Wahl der lettischen Lyrikerin Zeltite Hesse-Avotina zur neuen Präsidentin des Exil-PEN auf dessen Jahrestagung vom 23. bis zum 25. April 1982 würdigte die überregionale Presse die schwierige Rolle dieser Vereinigung in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit. Frau Zeltite Hesse, am 8. Februar 1925 in Riga geboren, emigrierte 1940 nach der Besetzung Lettlands durch die Rote Armee, lebte bis 1971 in Ostfriesland, veröffentlichte ihren ersten Roman 1963 in London auf lettisch. Sie publizierte seit den späten 70er Jahren eine Reihe von Gedichtbänden auf deutsch, nachdem sie nach Bonn übersiedelt war. Ihr unerwartetes frühes Ableben am 5. August 1982 rief in der lettischen und deutschen Exil-Szene tiefe Trauer hervor, die der Vizepräsident Antonin Kratochvil in seinem Nachruf so zum Ausdruck brachte: „Ihre dichterische Stimme ist uns geblieben in ihren zeitlos gültigen Gedichten. … Zeltite war eine Ruferin in der Wüste. Und was hätten wir nötiger als solche Stimmen?“

5. Zwischen 1983 und 2005 leitete und lenkte der aus Südmähren stammende Rudolf Ströbinger die Geschicke des Exil-P.E.N. Clubs. Am 5. März 1931 in Mikulov/Nikolsburg als Sohn eines Lehrers geboren, begann er nach Ablegung seines Abiturs bereits 1949 mit einer journalistischen Tätigkeit in der Regionalredaktion der „Lidove demokracie“, des Zentralorgans der christlich orientierten Tschechoslowakischen Volkspartei. Nachdem er in die Hauptredaktion der Zeitung nach Prag berufen wurde, studierte er neben seiner Berufstätigkeit an der Karlsuniversität Geschichte und Philosophie. In seiner Funktion als stellvertretender Chefredakteur engagierte er sich während des „Prager Frühlings“ so stark für den Sozialismus mit menschlichem Antlitz, dass er nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Armeen der Warschauer Paktstaaten von seinem Amt suspendiert wurde. Er verließ im November 1968 mit seiner Familie die Tschechoslowakei und arbeitete seit 1969 als Leiter der Tschechoslowakischen Redaktion an der Deutschen Welle in Köln. Parallel zu seiner journalistischen Tätigkeit publizierte er zahlreiche Bücher zu historischen Persönlichkeiten und Ereignisse. Besondere Aufmerksamkeit erregten die Publikationen „Das Rätsel Wallenberg“, „Stalin enthauptet die Rote Armee – der Fall Tukatschewsky“ wie auch „Das Attenta von Prag – Reinhard Heydrich – Statthalter Hitlers“. Aus gesundheitlichen Gründen trat Dr. Ströbinger 1986 in den Ruhestand und widmete sich nunmehr verstärkt dem Exil-PEN Club. Er wurde 1983 auf der Jahresmitgliederversammlung in Wesseling auf dem Schloss Eichholz zum Präsidenten gewählt. Vizepräsidentin wurde Alice Benedek (Wien), Generalsekretär Dr. Antonin Kratochvil (München), Schatzmeister Andrzej Chilecki (Köln). Ende September 1986 trafen sich die Mitglieder des Exil-P.E.N. Clubs in der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung in Gummersbach zur erneuten Wahl des Vorstands. Dr. Rudolf Ströbinger und Alice Benedek wurden ebenso wie Antonin Kratochvil und Andrzej Chilecki in ihren Ämtern bestätigt. Ein Jahr später, auf der Tagung im Schloss Eichholz, einer Begegnungsstätte der Konrad-Adenauer-Stiftung, im Jahr 1987, wurde der Vorstand erweitert. Gabriel Laub, der Präsident des Exil-PEN Clubs zwischen 1976 und 1982, wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt; mit Dr. Christo Ognanoff (Salzburg) ein zweiter Vizepräsident gewählt.
Die wachsende Bedeutung des Exil-PEN im Hinblick auf seine literarische und kulturpolitische Aufgabenstellung in der bundesdeutschen Öffentlichkeit verdeutlichte im April 1988 eine Tagung, die das „Gesamteuropäische Studienwerk e.V. in Vlotho gemeinsam mit dem Exil-P.E.N. veranstaltete. Zu dem Thema „Integration als existentielles und literarisches Problem“ referierten Dr. Wolfgang Schlott zu „Fluch und Segen literarischer Emigration“, Alexander Dordevic zu „Methoden sprachlicher Integration“ und Ewa Slaska präsentierte gemeinsam mit Grzegorz Ziętkiewicz die polnischsprachige, in Berlin erscheinende Exil-Zeitschrift „Wyspa“.. Der aus der DDR emigrierte Schriftsteller Hans Joachim Schädlich las aus „Irgend etwas irgendwie“.
Vom 9. bis 11. September 1988 organisierte der Exil-Pen Club gemeinsam mit der Konrad Adenauer Stiftung in Mellrichstadt eine Fachtagung mit 50 Exil-Schriftstellern. Die Referate bekannter Politik- und Kulturwissenschaftler widmeten sich den Veränderungen in den kommunistischen Staaten, der Kulturpolitik in der DDR sowie den Perspektiven und Grenzen der Reformpolitik Gorbatschows. Die öffentliche Lesung aus Werken der eingeladenen Autoren fand ein lebhaftes Echo in mehreren Zeitungen des Main-Kreises. Die Jahrestagung vom 3. bis 6.Dezember 1989, veranstaltet an zwei Orten: in Brüssel und auf Schloß Eichholz bei Bonn, stand noch einmal ganz im Zeichen der Solidarität mit inhaftierten Schriftstellern in Rumänien
Den verstärkten Bemühungen um die politische Einigung Europas war die Fachtagung „Die Bedeutung Weimars für die europäische Kultur“ vom 09.-11. Oktober 1990 im dortigen Hotel „Elephant“ gewidmet. Im Zentrum der Referate und Diskussionen standen die Zukunft der nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Literatur und die Rolle der Schriftsteller im europäischen Wandlungsprozess. Die enge Zusammenarbeit zwischen tschechischen Exil-Schriftstellern, die nach der Niederschlagung des Prager Reformsozialismus in der Bundesrepublik Deutschland Asyl fanden, und den Mitgliedern des Exil-PEN Club schlug sich Anfang 1992 in einer gemeinsamen Fachtagung auf Schloss Dobriš bei Prag nieder. Organisiert von der Konrad-Adenauer-Stiftung, eingeladen vom tschechischen als auch vom slowakischen PEN-Club, eingeleitet von Dr. Ströbinger und Dr. von Below, setzten sich die Tagungsteilnehmer mit den Themen „Kulturelles Leben in Europa“ und „Das kulturelle Leben in der ČSFR nach der Wende“ auseinander. Unter Anwesenheit hoher Repräsentanten aus beiden Ländern und der Medien lief ein lebhafter Gedankenaustausch vor dem Hintergrund der düsteren Situation im Kulturleben der ČSFR ab. Das Interesse der nationalen und internationalen Presse an dieser Tagung fand ihren Ausdruck in zahlreichen kritischen Beiträgen. Am Rande der Tagung wurde auch über einen „Abschied auf böhmisch“ von Ota Filip nachgedacht. Der renommierte tschechische Autor, der zwei Jahrzehnte im deutschen Exil seine Romane auf Deutsch schrieb, kam zu dem Ergebnis, dass der Exil-PEN keine Zukunft mehr habe, dafür „eine Vergangenheit, auf der er stolz sein kann.“
Schon auf der Juli-Tagung 1992 kam der erweiterte Vorstand des Exil-PEN Club zu dem Entschluss, dass die Vereinigung der Exil-Autoren weiter existieren solle. Die Argumente für das Fortbestehen erwiesen sich als gewichtig. Der Exil-PEN sei als moralische Instanz für die Einhaltung der Menschenrechte in den entstehenden osteuropäischen Republiken unentbehrlich, er habe eine wichtige Funktion bei der Herstellung von Kontakten mit den immer noch inhaftierten politischen Gefangenen und den nach 1990 neu etablierten Exil-PEN-Organisationen sowie im Rahmen der gegenseitigen Hilfe beim Aufbau neuer kultureller Institutionen in Ostmitteleuropa. Diese kulturpolitische Aufgabenstellung verfolgte auch die Fachtagung, die die Schriftsteller-Vereinigung, gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung, in Oldenburg (27.-29. Mai 1994) durchführte. Unter dem Tagungstitel „Kulturelle Zusammenarbeit in Europa“ diskutierten niederländische Schriftsteller und Wissenschaftler, ostfriesische Autoren und Mitglieder unseres Exil-Clubs über Themenfelder wie die Wiedervereinigung der deutschen Sprache (Prof. Dr. Bergsdorf), Literatur und Kultur in den norddeutschen und niederländischen Regionen (Dr. Klugkist) sowie die Rolle des Exil-PEN in Deutschland (Dr. Ströbinger).
Den grenzüberschreitenden Literaturen in Europa eine Heimstätte zu gewähren – diese Aufgabenstellung verfolgte der Exil-PEN auch in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Im April 1995 trafen sich vierzig Schriftsteller und Publizisten aus Polen, Ungarn, der Russischen Föderation und der Tschechischen Republik in Rastede bei Oldenburg. Zu dieser Tagung, gefördert von dem Hermann Ehlers Werk und der Konrad-Adenauer-Stiftung, hatte das Zentrum der Schriftsteller in deutschsprachigen Ländern unter der Themenstellung „Die Grenzregionen: Wegbereiter des Vereinigten Europa – Kunst und Literatur als Vermittler der Einigungsidee“ eingeladen. Die kontrovers geführte Diskussion legte die Schwierigkeiten des europäischen Integrationsprozesses offen, in dessen Verlauf vor allem die Rolle der Kultur als Brückenbauer zwischen den einzelnen Nationen von wachsender Bedeutung sei.
Der auf dieser Tagung in seinem Amt als Präsident bestätigte Dr. Rudolf Ströbinger verfolgte gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern Dr. Antonin Kratochvil und Henryk Lunganini auch in den folgenden Jahren eine multifunktionale und transparente Vereinsarbeit. Auf der Herbsttagung 1995 im sauerländischen Arnsberg referierten Vertreter großer deutscher Verlage über die Zukunft des Buches und die Einwirkung der Computer-Technik auf Produktion und Rezeption der Ware ‚Buch’. Der sorbischen Minderheit war die Tagung des Exil-PEN deutschsprachiger Länder im November 1996 gewidmet. Unter den Leitmotiven „Zuflucht haben. Identitätssuche unter erschwerten Bedingungen – Lausitzer Sorben als Minderheit in Deutschland“ beschäftigten sich die Teilnehmer der Veranstaltung in Berlin und in Cottbus mit der Bedeutung der Minderheitenkultur für das geeinte Deutschland. Dabei ging es unter der Leitung von Dr. Jaroslaw Šonka um die Förderung der sorbischen Kultur, die Medienarbeit für ethnische Minderheiten und die Funktion der „Slawen in Deutschland wie auch die der Slawisten“. Die Besichtigung wichtiger Stätten untersorbischer Kultur (Cottbus und der Spreewald) diente als Vorbereitung für eine abschließende Diskussion über die Rolle der Minderheiten in Europa.
Auch die beiden Tagungen im Jahr 1997 in Cloppenburg (23.-25. Mai) und in Dresden (07.-09. November) setzten sich mit europäischen Problembereichen auseinander. Unter der Teilnahme von Journalisten und Medienredakteuren wurde in Cloppenburg die Frage nach den Chancen einer europäischen Integration aufgeworfen, während in Dresden renommierte Politiker aus der Tschechischen Republik gemeinsam mit Bundestagsabgeordneten und Mitgliedern des Exil-PEN das kulturelle Erbe Europas erörterten.
Das Jahr 1998 zeichnete sich in der Geschichte der deutschen Sektion des International PEN durch drei, auch in den Medien häufig gewürdigten Veranstaltungen aus. Die Fachtagung vom 17.-19. April in Bad Zwischenahn, gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung, war dem Thema „Schriftsteller und Publizisten im europäischen Einigungsprozess“ gewidmet. György Dalos (Direktor des Hauses der Ungarischen Kultur“ und Prof. Dr. Thomas Strauss referierten über „Mittel- und Osteuropa auf dem Weg in das vereinte Europa“ bzw. über „Globalisierung und die Literatur im vereinten Europa“. Dass der Exil-PEN ein weiteres Mal eine institutionelle Anerkennung in der Öffentlichkeit gefunden hatte, bestätigte ein Bericht des „Bayernkurier“ , in dem die länderübergreifende Arbeit der Vereinigung gelobt wurde, denn „es gebe noch viele Länder, deren im deutschsprachigen Exil oder Skandinavien lebende Schriftsteller der Solidarität, Hilfe und Interessenvertretung bedürften.“ . Außerdem berichteten andere überregionale Tageszeitungen wie „Die Welt“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die Prager Tageszeitung „Slovo“ über die Ergebnisse der Tagung.
Auch die Pflege der Beziehungen zwischen dem Exil-PEN und der Europäischen Kommission bildeten einen Teil der fachlichen Arbeit der Schriftstellervereinigung. Anfang November 1998 hielten sich sieben Mitglieder in Brüssel auf, um sich über die Institutionen der EU und die sich anbahnende Osterweiterung zu unterrichten. Der Pflege der deutsch-tschechischen literarischen Beziehungen diente vom 24. bis 25. November eine Konferenz in Prag, die das PEN-Zentrum der Tschechischen Republik gemeinsam mit dem Exil-PEN Club deutschsprachiger Länder veranstaltete. Ein außerordentliches Ereignis in der Vereinsgeschichte bildete der Festakt „40 Jahre Exil-PEN Club deutschsprachiger Länder“ im Bildungszentrum der Konrad Adenauer-Stiftung - Schloss Eichholz in der Nähe von Bonn vom 11.-bis 13. Dezember 1998. Die öffentliche Anerkennung der Vereinigung der Exil-Schriftsteller manifestierte sich in den Grußworten von Bundeskanzler Helmut Kohl, den Staatspräsidenten der tschechischen und slowakischen Republik, Vaclav Havel und Michal Kovac sowie dem Kulturminister der Tschechischen Republik, Pavel Tigrid. Unter Teilnahme von Vertretern verschiedener PEN-Zentren setzte sich die Fachtagung mit der Funktion des Exil-PEN an der Schwelle zum 21. Jahrhundert auseinander, beschäftigte sich mit der Unterwanderung der Literatur und Kunst durch den Staatssicherheitsdienst in der DDR und mit der Rolle der PDS in Deutschland.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts begab sich der Exil-PEN Club in die Militärgeschichte und deren literarische Verarbeitung. Gemeinsam mit der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation veranstaltete er die Fachtagung „Marschälle und Generale in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Lebensbeschreibungen und heutige Wahrnehmungen“ in Strassberg bei Berlin (2.-4. Februar 2000). Die Auswahl der Generale: Michail Tuchatschewskij, Charles de Gaulle, Ludvik Svoboda wie auch General Maleter verdeutlichte die Akzentsetzung des Themas. Die vortragenden Militärhistoriker bezogen sich vor allem auf die historische Rolle von militärischen Persönlichkeiten, die zum Teil Opfer von Diktaturen wurden und heute einen hohen symbolischen Wert in der nationalen Geschichte darstellen.
Nur zwei Monate später, vom 31. März bis zum 2. April 2000 fand in Wesseling (Schloß Eichholz) eine weitere Tagung zum Thema „Gesellschaft und Literatur an der Schwelle des neuen Jahrhunderts“ statt. Gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung war sie der historischen Einschätzung der zukünftigen Rolle der mittel- und osteuropäischen Staaten im vereinten Europa gewidmet. Auch die medialen Aufgaben (Rolle der ethnischen Minderheiten) für die sich zusammenschließende Union wurden im Rahmen einer Besichtigung des Belgischen Rundfunks in Eupen (Belgien) erörtert. Der Höhepunkt der Tagung bestand jedoch in der Vergabe der Exil-PEN-Preise für ausgezeichnete historische und literarische Arbeiten an Boris Chazanov (München), Tomas Brod (Prag) und Ivan Pfaff (Heidelberg) wie auch an Boris Schapiro (Berlin). Ein weiteres Ergebnis dieser Tagung bestand in einem Bittschreiben an den Intendanten des Mitteldeutschen Rundfunks, Prof. Dr. Udo Reiter, „sobald wie möglich für die 40 000 im Freistaat Sachsen lebenden Sorben sorbischsprachige Fernsehsendungen mit Regionalinformationen aufzunehmen.“ Eine Forderung, die im Januar 2001 mit der Einführung eines 30-minütigen Fernseh-Wochenmagazins in obersorbischer Sprache erfüllt wurde.
„Literatur im Exil. Gegenwart und Zukunft“ – so lautete das Thema der Fachtagung in Fröndenberg (22.-24.09.2000), veranstaltet vom Bildungswerk Dortmund der Konrad-Adenauer-Stiftung. Auch dieses Mal setzte sich das Programm aus einer historischen Reflexion der Situation, der die Exil-PEN Organisationen in Westeuropa bis 1990 ausgesetzt waren, nämlich ihrer Unterwanderung durch die Staatssicherheitsdienste der kommunistischen Länder. Die gegenwärtigen Aufgaben der Exil-Organisationen bildeten den Tenor in Referaten zu Aktivitäten im In- und Ausland sowie zur kulturpolitischen Situation in der Bundesrepublik am Beispiel der Verlage und des Buchhandels.
Auch im Jahr 2001 wurde die Tagung des Exil-PEN (16.-18. Februar), verbunden mit der Wahl des neuen Präsidiums, im Bildungszentrum Eichholz veranstaltet. Der langjährige Präsident, Dr. Rudolf Ströbinger, wurde einstimmig wieder gewählt. Der Beschluss des neuen Präsidiums, sich an dem Projekt “Exil-Schriftsteller im Internet“ zu beteiligen, war für die internationale Vereinigung mit dem Einstig in das mediale Jahrhundert verbunden gewesen. Dieser Schritt konnte bereits 2001 mit der Erstellung der Homepage www.exil-pen.de realisiert werden. Das Thema der Tagung war der „Kultur als Bindeglied eines demokratischen Europas“ gewidmet. Im Rahmen einer Exkursion nach Maastricht und Aachen erläuterte der Publizist Heribert Korfmacher am Beispiel der geschichtsträchtigen Städte die Rolle der ersten EU-Verträge erörterte. Außerdem referierte der Intendant der „Deutschen Welle“, Prof. Dieter Weirich, zum Thema „Medien der Zukunft – Zukunft der Medien“. Die zweite Tagung im Jahr 2001 (21.-23. Februar) fand in Fröndenberg statt. Sie setzte sich mit der kulturpolitischen Dimension der EU-Osterweiterung auseinander. Dabei ging es um jene Schriftsteller und Publizisten, die nach den friedlichen Revolutionen in Ostmitteleuropa geblieben waren und nun Deutschland aus einer doppelten Perspektive betrachteten. Dieser existentiellen Frage war die öffentliche Lesung mit Boris Chazanov (Moskau/München), Ota Filip (Murnau), Rudolf Ströbinger (Prag/Hage), Boris Schapiro (Moskau/Berlin) gewidmet. Die bei dieser Gelegenheit auch vorgestellte neue Anthologie des Exil-PEN „Das Feuer, das ewig brennt“ beschäftigte sich mit dieser brennenden Problematik.
Es gehört zu den besonderen Verdiensten des Exil-PEN-Präsidiums, dass es zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Reihe von aktuellen Problemfeldern der EU-Osterweiterung bearbeitete. Die vom 28.- 30. November 2001 in dem Bildungszentrum Kloster Banz mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung durchgeführte Expertentagung zum Thema „Aktuelle Perspektiven der europäischen Literatur“ diente dieser Absicht. Die Eingangsfragestellung nach der kulturellen Bedeutung Europas nach dem Zerfall der kommunistischen Staaten aufnehmend, gab Waldemar Weber (München) einen Überblick über die Rolle der Literatur nach dem Umbruch in Russland, Wolfgang Schlott (Bremen) setzte sich mit der Widerspiegelung der friedlichen Revolution in der polnischen Literatur auseinander und Peter J. Brenner (Köln) analysierte die deutsche Literatur der 1990er Jahre im Hinblick auf ihre politische Implikation. Auch die Tagung zur „Geheimhaltung und Öffentlichkeit“, die gemeinsam mit der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation in Straußberg im März 2002 durchgeführt wurde, diente der Aufklärung über Verfahrensweisen der ideologischen Beeinflussung westlicher Institutionen durch kommunistische Institutionen. Vorträge über „Die Stasi und die Bekämpfung der Westmedien am Beispiel des Deutschlandfunks“ (Karl Wilhelm Fricke, Köln) wie auch von Hubertus Knabe über den „Umgang mit Informationen über die Staatssicherheit in Westeuropa“ verdeutlichten die ideologische und militärische Unterwanderung Westeuropas. Andere Referate erfassten die historische Dimension der Desinformation am Beispiel der Invasion der CSSR durch die sozialistischen „Bruderstaaten“ und der Inszenierung von Propagandalügen durch das Hitler-Regime während des II. Weltkriegs.
6. Im Frühjahr 2002 feierte der Präsident des Exil-PEN sein zwanzigjähriges Jubiläum. In seiner Laudatio auf die vielen erfolgreichen Aktivitäten von Dr. Rudolf Ströbinger hob der Pressereferent Hans Lindemann vor allem die unermüdliche, grenzüberschreitende kulturpolitische Arbeit hervor, die in mehr als vierzig Tagungen der Exil-Vereinigung in Deutschland, Belgien, der Niederlande wie auch der Tschechischen Republik, vor allem nach 1990, zum Ausdruck kam. Diese in breite Kreise der bundesdeutschen Öffentlichkeit ausstrahlende Wirkung entfaltete sich gegen die landläufige Meinung der überregionalen deutschen Presse, die 1992 von der „Überflüssigkeit“ einer solchen Organisation nach dem Fall der Mauer sprach. Unter der Ägide von Ströbinger entwickelte sich, oft mit der finanziellen Unterstützung der Konrad-Adenauer und der Hanns Seidel-Stiftung, nunmehr ein Netzwerk von Institutionen und Persönlichkeiten, welche die besonders nach 1990 notwendig gewordene Zusammenarbeit mit den in Ostmitteleuropa entstehenden demokratischen Organisationen vorantrieben. Dazu gehörte auch die einmal pro Jahr vergebenen Literaturpreise, die in Anerkennung bedeutender Werke den in Deutschland lebenden Exil-Autoren überreicht wurden. Nicht minder wichtig für die öffentliche Präsenz des Exil-PEN waren auch die beiden Anthologien, die von Ströbinger herausgegeben wurden: Aus Anlass des vierzigsten Jahrestags des Bestehens der Vereinigung „Exil in der Literatur – Literatur im Exil“ (1996) und fünf Jahre später „Feuer, das ewig brennt“.
Auch aufgrund der häufigen, themenzentrierten Fachtagungen gewann der Exil-PEN immer mehr an Attraktivität, die in der wachsenden Zahl von neuen Mitgliedern zum Ausdruck kam, darunter auch deutsche Exilschriftsteller, die nach der Auflösung der von Fritz Beer geleiteten Auslandsektion des Exil-PEN (gegründet 1934) sich unserer Sektion anschlossen. Bereits im Mai 2002 kam es in Třebon (Südböhmen) zu einer gemeinsamen Tagung deutscher und tschechischer Exil- Schriftsteller. Unter dem Leitgedanken „Brücken zum Nachbarn – Deutsche Literatur in Tschechien – Tschechische in der Bundesrepublik“, begleitet von Grußworten des Bundespräsidenten Johannes Rau, des Bundeskanzlers, Helmut Kohl, und des Präsidenten der tschechischen Republik, Vaclav Havel, erläuterte zunächst Pavel Dostal, Minister für Kultur der Tschechischen Republik die wesentlichen Aufgaben der Kulturpolitik in seinem Land. Die literarische und literaturwissenschaftliche Ausgestaltung der Tagung bestand aus Lesungen von Ota Filip, Karl Trinkewitz sowie von Tomas Kafka und Christa Rothmeier, die sich mit der Kunst des Nachdichtens und Übersetzens aus dem Tschechischen auseinandersetzten.
In der vom 27.-bis 29. September 2002 in Dortmund durchgeführten Tagung ging es unter dem Thema ‚Exilschriftsteller und ihre gegenwärtigen Aufgaben’ um die Verteidigung der Freiheit des Wortes weltweit, wobei besonderes Augenmerk auf südamerikanische, afrikanische und asiatische Diktaturen gelegt wurde. Eine spezifische Bedeutung für die kulturpolitische Arbeit des Exil-PEN hatte sein Informationsbesuch in Brüssel, am 5. bis 6. November 2002. Eingeladen von der Europäischen Kommission für Bildung und Kultur nahm die Delegation zunächst an der Eröffnung der SAMIZDAT-Ausstellung über alternative Kulturen in Zentral- und Osteuropa (Veranstalter: Forschungsstelle Osteuropa Bremen) im Zentralgebäude (Salle Polyvalente) der EU teil. Anschließend war sie Gast in Sitzungen über die EU-Erweiterung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der EU, ein Aufgabenbereich, dem sich die Exil-Organisation seit den 1990er Jahren vornehmlich widmete. Am 7. November hielten Mitglieder der Exil- Delegation in Schulen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens in Eupen – auf Einladung des Ministerpräsidenten Lambertz, Ehrenmitglied des Exil-PEN - ,eine Reihe von Vorträgen über Euroregionen und die Rolle der sprachlichen Minderheiten in ostmitteleuropäischen Ländern.
„Exil und Vertreibung in der Literatur“ lautete das Thema der Frühjahrstagung 2003 (21.3-23.3.) im Bildungszentrum Schloss Wendgräben der Konrad-Adenauer-Stiftung. An den Beispielen deutsche, ungarische und tschechische Literatur (Ottfried Pustejovski) wie auch der polnischen Literatur im Exil (Hans-Christian Trepte) sowie der Lesung von Jörg Bernig aus seinem Roman „Niemandsland“ wurden die kulturellen Vertreibungsprozesse nach 1945 erörtert. Im Anschluss an die Vorträge und die Lesung diskutierte der Exil-Club über seine anstehenden kulturpolitischen und literarischen Aufgaben. Dazu gehörten auch, so Präsident Ströbinger, die entschiedene Verurteilung der Ermordung von über 400 Journalisten und Schriftsteller in der Hussein-Diktatur im Irak und die Würdigung ihrer für den Kampf gegen das unmenschliche Regime geleisteten Arbeit. Der Exil-Club intervenierte 2003 auch gegen die Verurteilung der kubanischen Bürgerrechtler Jose Daniel Ferrer, Raul Rivero und Marta Beatriz Roque zu langjährigen Gefängnisstrafen in einem Schreiben an den Botschafter Kubas in Berlin.
Die wachsende Anerkennung der kulturpolitischen und literarischen Aktivitäten des Exil-PEN im nationalen und europäischen Rahmen kam nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Dr. Rudolf Ströbinger (2002) in einer weiteren hohen Auszeichnung zum Ausdruck. Samuel Beer, der langjährige Generalsekretär des Exil-PEN und Direktor der „Künstlergilde“ erhielt 2004 die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Die vielschichtigen Aktivitäten beider Präsidiumsmitglieder waren allerdings nur möglich, weil die Pressearbeit von Hans Lindemann und eine Reihe von Ehrenmitgliedern des Exil-PEN diese Arbeit unterstützten. Dazu gehörten vor allem Dr. Otto von Habsburg, Präsident der Paneuropa-Union, Karl-Heinz Lambertz, der Ministerpräsident der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Dr. Petr Pithart, Präsident des Senats der Tschechischen Republik, wie auch Jiri Grusa, Präsident des International P.E.N. und Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien.
Das Jahr 2005, über dem bereits der Schatten der Erkrankung des Präsidenten lag, war von der Vorbereitung und Durchführung von drei Tagungen geprägt. Im Juni ging es in Wesseling um die „Aufgaben der Schriftsteller im vereinigten Europa“, wobei der Tenor der Vorträge und Diskussionen auf dem Engagement für inhaftierte, zu langen Gefängnisstrafen verurteilten Schriftsteller und Journalisten in Kuba, der Türkei und Russland lag. Ende Oktober nahm eine größere Gruppe des Exil-PEN an einer Tagung in Eupen teil, auf der die Funktion der „Literatur und Verlage der Minderheiten in Europa“ thematisiert wurde. Auf diesem Arbeitsfeld hatte sich der Verein bereits in den 1990er Jahren oft betätigt. Die Herbsttagung in Hejnice (Nordböhmen) beschäftigte sich mit zwei Themen: die sorbisch-tschechischen literarischen Beziehungen im 20. Jahrhundert und die deutschsprachige Literatur Böhmens und Mährens mit dem besonderen Blick auf die Zwangsemigration deutscher Autoren nach 1933 in die Tschechoslowakische Republik. In diesem Kontext ging es auch um die Ehrung des Schriftstellers Frantisek Xaver Šalda, der zwischen 1933 und 1937 die umfangreichste Hilfsaktion für die vor den Nazis bzw. dem Dollfuß-Regime flüchtenden deutschen und österreichischen antifaschistischen Intellektuellen organisierte . Diese letzte Tagung wurde bereits von dem Presserefenten Hans Lindemann, dem Generalsekretär Samuel Beer und der Schatzmeisterin Marina Michel vorbereitet und durchgeführt. Nur knapp zwei Monate später, am 1. Dezember 2005, erlag Rudolf Ströbinger seiner Krankheit. In Anerkennung seines schaffensreichen Lebens in der Tschechoslowakei bis 1968 als Redakteur der Zeitung „Lidova demokracie“, als Leiter der tschechoslowakischen Redaktion bei der Deutschen Welle in Köln und als erfolgreicher Publizist und Präsident des Exil-PEN deutschsprachiger Länder würdigte ihn Hans Lindemann als eine „unverwechselbaren Kämpfer für Meinungsfreiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit.“ (eine weitere Pressestimme!) Aufgrund seiner Buchpublikationen „Das Attentat von Prag – Reinhard Heydrich – Staathalter Hitlers“, „Das Rätsel Wallenberg“ wie auch „Stalin enthauptet die Rote Armee - der Fall Tuchatschewsky“ errang er ein hohe Anerkennung als politischer Publizist.
Das Jahr 2006 stand für das Zentrum der Schriftsteller im Exil Deutschsprachiger Länder im Zeichen seines 50-jährigen Jubiläums. Entstanden im Spätherbst 1956 aus einer seit 1948 in Westdeutschland existierenden lockeren Assoziation von Exil-Schriftstellern, unter ihnen Pavel Tigrid und Antonin Kratochvil, und zahlreichen ungarischen Intellektuellen, die nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstands gegen die sowjetische Herrschaft nach Westeuropa flüchteten, bildete diese Gruppe den Kern der Exil-Vereinigung. Eine beträchtliche personelle Erweiterung erlebte das Zentrum im Herbst 1968, als zahlreiche Schriftsteller und Journalisten nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Warschauer Paktstaaten in der Bundesrepublik Deutschland Asyl fanden.
2006 stand auch im Zeichen eines weiteren Verlustes für die Geschichte der literarischen Exil-Bewegung. Am 2. September starb Fritz Beer, der langjährige Präsident des „P.E.N- Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland“, im Alter von 95 Jahren. Unter derselben Namensbezeichnung wirkt auch die Autoren-Vereinigung, die sich im Jahr 1995 (?) gründete und zahlreiche Schriftsteller/Innen aus der DDR aufnahm, die aus Protest gegen die Übernahme aller Mitglieder des PEN-Club-Ost durch das PEN-Zentrum Deutschland verließen.. Seit 2005 fungiert Günter Kunert als Präsident des „P.E.N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland“. Es vereint überwiegend deutschsprachige Autoren, die gegen die Verschmelzung des P.E.N.-Zentrum der Bundesrepublik mit dem P.E.N.-Zentrum Ost protestierten. Das „Zentrum der Schriftsteller im Exil Deutschsprachiger Länder“ kooperiert seit den späten 1990er eng und freundschaftlich mit dieser Sektion.

7. Die Verdienste von Rudolf Ströbinger für den Exil-PEN wurden auf der Herbsttagung 2006 in Hejnice, die dem 50-jährigen Jubiläum gewidmet war, noch einmal gewürdigt. Jan Schneider, der langjährige Freund des Präsidenten, erinnerte an ihn und den ebenfalls 2006 verstorbenen tschechischen Historiker Zdenek F. Sedivy, indem er beide als unermüdliche demokratisch gesinnte Aufklärer bezeichnete. Auf dieser Tagung wurde auch Prof. Dr. Wolfgang Schlott, Literatur- und Kulturwissenschaftler, zum neuen Präsidenten gewählt. Der Pressereferent des Exil-PEN, Hans Lindemann, stellte ihn in einem ausführlichen Porträt vor, wobei er sowohl dessen Herkunft aus der DDR als auch seine berufliche Laufbahn als Kultur- und Literaturwissenschaftler im Bereich von Osteuropa und als engagierter Oppositionsforscher betonte. Er würdigte seine Herausgebertätigkeit von literarischen Anthologien und verwies auch auf seine Publikationen als Lyriker und Hörspielautor.
Auf dieser Tagung wurde auch der nach dem Rücktritt von Samuel Beer vakant gewordene Posten des Generalsekretärs per Wahl neu besetzt. Horst Samson, Journalist und renommierter Lyriker, aus dem Banat stammend, übernahm diese verantwortungsvolle Funktion, die unter anderen mit der Aufgabe verbunden war, die bereits vorbereitete Anthologie des Exil-PEN zu veröffentlichen. Gemeinsam mit der ebenfalls 2006 gewählten Vizepräsidentin Urszula Usakowska-Wolff, Kunsthistorikerin, Journalistin, Lyrikerin und Lektorin, wurde diese Publikation zwei Jahre später unter dem Titel „Zuhause nur im Wort“ mit dem Vorwort von Wolfgang Schlott fertig gestellt.
In seiner programmatischen Schrift „Fünfzig Jahre ästhetischer und politischer Widerstand: der Exil-PEN deutschsprachiger Länder im Lichte neuer Herausforderungen“ formulierte der neue Präsident sechzehn Jahre nach den überwiegend „samtenen“ Revolutionen in Ost- und Zentraleuropa die neuen Ziele der Exil-Sektion im International PEN mit einer Frage: Woher nimmt der im Jahr 1956 gegründete Exil PEN Club seine Legitimation, sich weiterhin für politisch verfolgte Schriftsteller/innen wie auch für Journalisten/innen einzusetzen, für die Durchsetzung des freien Wortes an den östlichen Randzonen Europas und in vielen Ländern der Welt zu kämpfen oder die kulturelle Autonomie von ethnischen Minderheiten zu verteidigen? In seiner Antwort knüpfte er an die in den vergangenen mehr als dreißig Jahren geleistete kulturpolitische Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland, das politische und literarische Engagement der Exil-PEN-Mitglieder bei der Durchführung von Tagungen, der Veröffentlichung von Petitionen für verfolgte Schriftsteller und Journalisten und der Publikationen von Büchern. Außerdem forderte er die Erweiterung der Netzwerke, innerhalb derer der Exil-PEN gemeinsam mit kulturellen Institutionen, den Kulturwerken von Parteien und freien Initiativen sein Aktivitätspotenzial verstärken könne. Die Einlösung einiger dieser Forderungen erfolgte bereits 2007. In Petitionen appellierte der Exil-PEN an die demokratisch gesinnte Öffentlichkeit in der Türkei nach der Ermordung des Journalisten Dint, sie möge sich gegen radikal-islamistische Kreise zur Wehr setzen, er wandte sich an die Bundesregierung, um sich für den Asyl suchenden tschetschenischen Dichter Bisultanov einzusetzen, sie schlug gemeinsam mit anderen PEN-Organisationen die 2005 ermordete russische Journalistin Anna Politkovskaja 2006 für den post-mortem zu verleihenden Friedenspreis des Deutschen Buchhandels vor. Auch im Hinblick auf die Förderung der interkulturellen Literatur in Deutschland engagierte sich der Exil-PEN als Mitveranstalter der 2007 gemeinsam mit Radio Bremen initiierten Globale – Festival für grenzüberschreitende Literatur. In diesem Zusammenhang verstärkte das Präsidium auch seine Bemühungen um die Werbung von in Deutschland lebenden Autoren aus Asien, Afrika und Mittelamerika. Dies geschah durch konkrete Unterstützung von Schriftstellern bei deren Suche nach Verlagen, durch die Abfassung von Vor- und Nachworten in ihren Publikationen und durch Besprechungen ihrer Bücher in Zeitschriften und repräsentative Lesungen in Literaturhäusern. Auch der Förderung von Lesungen im Rahmen von Salons galt die Aufmerksamkeit, so wie dem von Anna und Vadim Fadin in Berlin 2000 gegründeten „Russische Salon“, in dem sich regelmäßig in den folgenden fünf Jahren in Deutschland und in Russland lebende Schriftsteller treffen.
Der Verstärkung der literarischen Aktivitäten diente die Frühjahrstagung in Dresden (13.-16. Mai 2007), die sich aktuellen Problemen der mitteleuropäischen Literatur widmete. Sorbische Literatur als Bindeglied zwischen Deutschland, Polen und Tschechien (Benedikt Dyrlich), eine Lesung mit unserem Mitglied Artur Becker, einem Adalbert – von -Chamisso-Preisträger, im Kraszewski-Museum sowie zwei Lesungen mit dem russischen Exil-Autor Boris Chasanov und dem tschechischen Exil-Autor Ota Filip im Erich-Kästner-Haus bildeten den Kern des belletristischen Programms, das durch zwei Referate über die polnische Gegenwartsliteratur (Wolfgang Schlott) und die übersetzte polnische Literatur auf dem deutschen Büchermarkt (Urszula Usakowska-Wolff) ergänzt wurde. Presseberichte aus Serbske noviny und Dresdner Nachrichten
Die Herbsttagung 2007 fand im Berghotel Friedrichroda vom 2.-4. November statt. Sie war im Zusammenhang mit der Ernennung von Hermannstadt/Cluj zur Kulturhauptstadt Europa der rumäniendeutschen Literatur gewidmet. Die Exil-PEN-Mitglieder Engelmann, Seiler, Hehn, Samson lasen Gedichte und Ingmar Brantsch kommentierte die Literaturpolitik in Rumänien, von der die Förderung der Minderheitenkultur profitiere. Schlott hielt einen Vortrag über das epische und lyrische Werk von Dieter Schlesak und stellte das umfangreiche epische Werk des tschechischen Kollegen und Vizepräsidenten, Jaroslav Marek-Vejvoda, in Auszügen vor. In einer Pressenotiz der „Gothaer Tagespost“ über die Tagung ging es vor allem um das wachsende Desinteresse an Lyrik sowohl in Deutschland als auch in Rumänien, allerdings mit einem pekuniären Unterschied: im kommunistischen Rumänien gab es – nach der Freigabe durch den Zensor – zumindest ein stattliches Zeilenhonorar.
Die Frühjahrstagung vom 13.-16. März 2008 in dem Internationalen Begegnungszentrum Ostritz-St. Marienthal, unter der Schirmherrschaft des Staatsministers für Kultur, stand unter dem Motto „Gemeinsames Erinnern europäischer Zeitzeugen – Die Neiße als Schicksalsfluss für Deutsche, Polen, Griechen und Tschechen“. Diese kulturpolitisch bedeutende Veranstaltung, die im Wesentlichen von dem Pressereferenten des Exil-PEN, Hans Lindemann, vorbereitet wurde, diente der Begegnung von Zeitzeugen, die nach dem Ende des Weltkriegs aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Es handelte sich um Zwangsumgesiedelte aus den polnischen Ostgebieten, die in Niederschlesien, westlich von Görlitz und Zittau, angesiedelt wurden. Dort landeten auch griechische Bürger, die 1949 nach der Niederschlagung des kommunistischen Aufstands in Griechenland eine neue Heimat fanden. Zu beiden Gruppen gesellten sich auch einige ehemalige Angehörige der Armija Krajowa, Überlebende des Warschauer Aufstands vom August 1944, die von dem kommunistischen Regime verfolgt, dort lange Jahre illegal überlebten. Auch tschechische und slowakische Bürger wurden nach 1945 in den ehemaligen Sudetendeutschen Grenzgebieten angesiedelt, unter anderem auch südlich von Zittau. Begleitet wurden diese Augenzeugenberichte von Vorträgen renommierter Historiker aus Leipzig (Prof. Troebst) und Prof. Ruchniewicz aus Wroclaw. Wie bedeutsam ist die Tagung für die Aufarbeitung der jüngsten Geschichte in den ostmitteleuropäischen Grenzregionen war, verdeutlichte die Anwesenheit des Ministerpräsidenten der deutschen Gemeinschaft in Belgien, Karl-Heinz Lambertz. Er referierte in seiner Funktion als Generalberichterstatter der EU über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Euroregionen. Die spannungsgeladene Tagung, über die regionale Zeitungen und eine Reihe von überregionalen Rundfunkstationen ausführlich berichteten, hinterließ bei den über 100 Zuhörern eine bleibende Erinnerung.
Die bittere Erfahrung von der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ vierzig Jahre danach – dies war das Thema der Herbsttagung des Exil-P.E.N. in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen PEN-Zentrum, unter Mitwirkung des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland und des Tschechischen Zentrums in Dresden. Vom 4.-bis 7. September 2008 trafen sich unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, im dortigen Kulturrathaus tschechische, slowakische, sorbische und deutsche Schriftsteller, Wissenschaftler und Politiker, um die Nachwirkungen der August-Invasion 1968 auf die Literatur und Kunst in Ostmitteleuropa zu erörtern. Vorträge zum Werk der emigrierten Autorin Libuse Monikova, über das „Manifest der 2000 Worte“, die Stimmung in der DDR und im Sorbenland im Herbst 1968, die Haltung der slowakischen Intellektuellen gegenüber dem Reformsozialismus, wie auch eine vergleichende Betrachtung der Menschenrechte in nationalsozialistischer und kommunistischer Diktaturen (Bundesinnenminister a.D. Gerhart Baum). Die vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung geförderte Tagung war begleitet von Lesungen tschechischer und deutscher Autoren sowie einem musikalisch-literarischen Abend, auf dem unter anderem auch Gedichte von Ivan Blatny rezitiert und Erzählungen tschechischer Schriftsteller gelesen wurden.
Im Jahr 2009 veranstaltete der Exil-PEN mit der Förderung durch verschiedene Stiftungen und Institutionen der öffentlichen Hand drei größere Tagungen. Auf Einladung des Ministeriums der Deutschsprachigen Gesellschaft in Belgien war der Exil-Club an einer Tagung beteiligt, die unter der Überschrift „Stille Retter – Menschen retten Menschen während der NS-Zeit und der Besatzung“ vom 1. bis 4. April 2009 in Eupen stattfand. Mit dem Blick auf Belgien, Luxemburg, Frankreich und die Schweiz referierten Historiker über die Verfolgung und Rettung von Juden und Widerstandskämpfern während des II. Weltkriegs in diesen Ländern. Die vergleichende Darstellung förderte die Diskussion, die durch thematische Filmvorführungen und Lesungen intensiviert wurde.
Ende Mai 2009 beteiligte sich der Exil-PEN an dem von der Bundeszentrale für Politische Bildung in der Humboldt-Universität veranstalteten „Geschichtsforum 1989-2009“ mit drei Panels. Sechs Mitglieder der Schriftsteller-Vereinigung referierten über vier friedliche Revolutionen in Ostmitteleuropa und die blutigen Ereignisse in Rumänien. Diese Vorträge kommentierten Zeithistoriker der Universität Bremen und der Humboldt-Universität, indem sie den bedeutenden politischen Umbruch vergleichend in der europäischen Geschichte einordneten.
Auch auf der Herbsttagung (3.bis 6. September in Hejnice/Hainsdorf) ging es, gemeinsam mit dem tschechischen PEN-Zentrums um „Die samtenen Revolutionen und andere Revolutionen“. Im Zentrum standen die Berichte von Zeitzeugen dieser Revolutionen, die ersten Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit tschechischen und polnischen Behörden in der Euroregion Zittau und um eine Gedenkveranstaltung in Liberec/Reichenberg.zur Erinnerung an die Opfer der Invasion der Warschauer Pakt-Armeen am 21./22. August 1968. Aufgrund der Einbeziehung einer Schulklasse in das Tagungs- und Ausflugprogramm setzte die Exil-Vereinigung eine wesentliche Aufgabenstellung ihrer zukünftigen Programmgestaltung: die Anleitung und Zusammenarbeit mit der jungen Generation in den neuen zentraleuropäischen Republiken.
Im Jahr 2009 erschien – nach einer längeren Vorbereitung – auch die Anthologie der Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil Deutschsprachiger Länder . Die mehr als neunzig Beiträge aus Lyrik, Epik und Essay zeichneten sich durch einen Reichtum an Themen, die europäische und außereuropäische Lebensweisen eindrucksvoll widerspiegelten. In ihnen sind, wie Schlott in seinem Vorwort betonte, „tradierte Beschreibungen von Erfahrungen im Exil, die Chancengleichheit in der Demokratie … oft durch neue Lebensmuster abgelöst worden.“ Besonders spannend seien Kulturmuster, die aus den postsowjetischen und asiatischen Lebensräumen stammend, in der deutschen Sprache ihre markanten Spuren hinterlassen hätten. Die Präsentation der Anthologie und Lesung einzelner Beiträge fand, gefördert von der Botschaft des Königreich Belgiens, unter Anwesenheit von Karl-Heinz Lambertz, des Ministerpräsident der Deutschen Gemeinschaft Belgiens, vor rund 100 Zuhörern, am 24.März 2010 im Literaturhaus Berlin in der Fasanenstraße statt. Im Jahr 2010 feierte der Russische Literatursalon „Bei Fadins“, eine Assoziation des Exil-P.E.N., sein zehnjähriges Jubiläum. Der in Berlin lebende Schriftsteller und Lyriker Vadim Fadin hatte gemeinsam mit seiner Frau Anna Pertschonok-Fadina in der Biesenthaler Straßen im Berliner Stadtteil … zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihre Wohnung als Ort der Begegnung für in Deutschland lebende und aus Russland kommende russischsprachige Autoren zur Verfügung gestellt. Seit 2000 lasen in diesem Salon mehr als vierzig renommierte SchriftstellerInnen, darunter Viktor Jerofejew, Andrej Bitow, Ljudmila Ulitzkaja, Boris Chasanow, Wera Pawlowa und Anna Altschuk . Diese international anerkannte Begegnungsstätte leistet mit ihren Veranstaltungen einen wertvollen Beitrag zur Anerkennung des Zentrum der Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder.
Zwischen 2007 und 2010 verstärkte sich auch das kulturpolitische Engagement des Exil-Zentrums. Mehrere Appelle an die in Deutschland akkreditierten Botschafter von Staaten, in denen es zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu gravierenden Verletzungen der Menschen- und Bürgerechte kam (China, Russland, Myanmar, Belorussland), Petitionen für die Freilassung inhaftierter Dissidenten in Kuba wie auch Protestschreiben an Journalistenverbände in der Türkei wegen der wachsenden Zahl von verhafteten Publizisten bildeten den Kern der Aktivitäten.
Einem historischen Thema mit einem besonders tragischen Aspekt war die Herbsttagung des Exil-PEN Clubs vom 22.-23. Oktober 2010 im Museum des Tschechischen und Slowakischen Exils in Brünn gewidmet. „Deutsche, Tschechen und Slowaken im Exil. Wechselseitige Erfahrungen in zwei Diktaturen (1933 bis 1989)“ . Unter diesem Titel fand gemeinsam mit dem Magistrat der Stadt Brünn und dem tschechischen PEN-Zentrum ein Treffen von Autoren und Wissenschaftlern statt. Schwerpunkte bildeten Vorträge zu Milena Jesenska (Alena Wagnerova), Fritz Beer als Publizist und Präsident des Londoner Exil-PEN Club, über den slowakischen Dissidenten Dominik Tatarka (Maria Batorova), über Gejza Vamos im chinesischen und brasilianischen Exil (Dusan Simko), über das schöpferische Werk von Bohuslav Martinu (Mikulas Bek) wie auch zwei Beiträge von deutschen Exil-PEN-Mitgliedern über Emigration nach China während des II. Weltkriegs (Peter Finkelgruen) und Lehren aus der Zwangsemigration deutscher antifaschistischer und tschechischer Intellektueller zwischen 1933 und 1989 (Wolfgang Schlott). Die produktive Zusammenarbeit zwischen beiden PEN-Zentren kam auch in der Teilnahme von Jiri Grusa, dem Präsidenten des International PEN, zum Ausdruck. Er moderierte und kommentierte, gemeinsam mit Mojmir Jerabek, die Mehrzahl der Vorträge, die vor allem in Brünner Universitätskreisen ein nachhaltiges Echo hinterließen.
Das Jahr 2011 stand im Zeichen personeller Veränderungen im Präsidium des Exil-PEN. Auf der Frühjahrstagung in Friedrichroda (15.-17. April) traten die Vizepräsidentin Urszula Usakowska-Wolff aus beruflichen Gründen zurück, während der andere Vizepräsident, der tschechische Kollege Jaroslav Marek-Vejvoda aus Prag, aus gesundheitlichen Erwägungen auf sein Amt verzichten musste. Auch die über elf Jahre als Schatzmeisterin tätige Marina Michel musste wegen beruflicher Überlastung zurücktreten. Ihr Amt übernahm Frau Dr. Heidrun Hamersky. Die Tagung thematisierte „55 Jahre Exil-PEN – Ausblick und Rückblick“ und war vor allem der Europäischen Gedenkkultur gewidmet. Zu diesem brennenden Thema referierten Andreas Schönfelder (Leiter der Umweltbibliothek in Großhennersdorf) und Konrad Petter aus Liberec. Prof. Dr. Wolfgang Schlott, gab einen Überblick über die Rolle des Exil-PEN in der kulturpolitischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland und entwickelte Ideen zur Zukunft der Vereinigung. Mit dem Verweis auf sechs neue Mitglieder aus dem rumäniendeutschen Literaturkreis, die alle der jüngeren Generation angehören, wiederholte er wiederum, dass auch die Werbung von Kandidaten aus dem afrikanischen und asiatischen Kulturraum weiter gehe..
Es gehört zu den bewährten Veranstaltungsformen, dass literarische Vereine ihre Mitglieder in regelmäßigen zeitlichen Abständen zu Lesungen aus eigenen Werken einladen. Diese Werkstatt-Lesung fand am 26. und 26. November 2011 in der Internationalen Jugendherberge in Berlin statt. Moderiert von Präsidiumsmitgliedern lasen Autoren aus dem Iran, aus Rumänien, Russland, Usbekistan und Deutschland. Seit Dezember 2011 liefen die Vorbereitungen auf die Tagung mit dem Schwerpunkt auf die Rezeption der rumäniendeutschen Literatur in Deutschland in Bad Kissingen (November 2012). Unter dem Titel „Heimat - gerettete Zunge. Die rumäniendeutsche Literatur in der Bundesrepublik Deutschland“ entwickelte der Präsident mit Unterstützung der aus Rumänien stammenden Exil-PEN-Mitglieder eine Tagungskonzeption, die zwecks Förderung beim Referat 21 des Beauftragten der Bundesrepublik Deutschland für Medien und Kultur eingereicht wurde. In dem Zeitraum Februar bis September 2012 organisierte der Exil-PEN – oft gemeinsam mit Amnesty International, Gruppe Bremen – Solidaritätsveranstaltungen für den zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiabo, protestierte gegen die Kriminalisierung von türkischen Journalisten, engagierte sich für die Freilassung der Moskauer Pop Gruppe Pussy Riot, unterstützte die Durchführung von Ausstellung und die Publikation von Katalogen über in Deutschland entstandene künstlerische Werke von Künstlern aus Russland und der Türkei.
Im November 2012 beteiligte sich der Exil-PEN an dem seit sechs Jahren in Bremen und Bremerhaven stattfindenden Festival für grenzüberschreitende Literatur GLOBALE. Ihr Präsident hatte es 2007 gemeinsam mit Radio Bremen gegründet. In der Funktion des Mit-Veranstalters lud er zwei deutschsprachige, aus Rumänien stammende Autoren, Franz Hodjak und Hans Bergel, zu Lesungen ein und moderierte einige Veranstaltungen. Vom 16.- 18. November 2012 waren - parallel zu dieser von der UNESCO anerkannten interkulturellen Veranstaltung GLOBALE –in Bad Kissingen zwölf aus Rumänien stammende renommierte deutschsprachige Autoren und Wissenschaftler Gast der Tagungsstätte Heiligenhof. „Heimat – gerettete Zunge. Die rumäniendeutsche Literatur in der Bundesrepublik Deutschland“ – unter diesem aussagestarken Motto lasen zehn Prosaautoren und eine Lyrikerin aus ihren Werken, deren Entstehung und Einordnung in der deutschen literarischen Öffentlichkeit in begleitenden Referaten erörtert wurde. In einer abschließenden Bewertung der Bedeutung dieser themenorientierten Tagung sprach der Generalsekretär des Exil-PEN, Horst Samson, von einer Zäsur, die mehr als zwanzig Jahre nach dem Abgesang auf die rumäniendeutsche Literatur zu Beginn der 1990er Jahre von einer vorsichtigen Hoffnung auf eine Renaissance gekennzeichnet ist. Wer die Initiatoren und Träger dieser Wiedergeburt sein werden, inwieweit sie sich auf dem deutschen Literaturmarkt durchsetzen werden und ob die Förderung der Nachwuchsautoren in Temeswar oder Klausenburg eine nachhaltige Wirkung zeigen wird, bleibt abzuwarten. Anzumerken ist, dass der Exil-PEN mit finanzieller Unterstützung des Referats 21 beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultru und Medien in beiden Richtungen eine Brückenfunktion erfüllt. Als Impulsgeber für die in der Bundesrepublik Deutschland wirkenden Autoren aus dem Banat und Siebenbürgen und als Förderer der literarischen Nachwuchses, der über die rumänischen Grenzen hinaus nach Publikationsmöglichkeiten in der deutschen Verlagslandschaft sucht. …

Schlussbewertungen:

Mit dem Blick auf die sich wandelnden Aufgaben des Zentrums Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder im 21. Jahrhundert und im Rückblick auf 56 Jahre Vereinsgeschichte lassen sich eine Reihe von Erkenntnissen zusammentragen. Ungeachtet der geringen schriftlichen Quellen aus der frühen Klubphase, die von wirksamer informeller, aber auch von nachhaltigen kulturpolitischen Aktivitäten gekennzeichnet war, ist festzuhalten, dass der Exil-PEN erst im Laufe der frühen 1990er Jahre ein von Finanzamt und Amtsgericht anerkannter Verein wurde. War die frühe Phase in den 1960er und 1970er Jahren von den renommierten Vereinsmitgliedern geprägt, so überwog seit Anfang der 1980er Jahre der Führungsstil des langjährigen Präsidenten Rudolf Ströbinger. Er lenkte, gemeinsam mit seinem Pressereferenten Hans Lindemann wie auch dem Generalsekretär Samuel Beer die Geschicke des Vereins. Ihre unermüdliche anregende Arbeit schlug sich in zahlreichen Tagungen nieder, die brennende kulturpolitische Themen ebenso wie spezifische literarische und kulturhistorische Fachprobleme behandelten. Sie fand ihre nachdrückliche Würdigung in der Tages- und Fachpresse wie auch in der staatspolitischen Würdigung.
Die besondere politische Herausforderung für die weitere Vereinsexistenz zu Beginn der 1990er Jahren bestand darin, angesichts der Prognosen vom Ende der Spannungen zwischen Ost und West vor der Auflösung von Konflikten und dem Herannahen von harmonischen Beziehungen zwischen den Kulturen zu warnen. Vielmehr strömten im Laufe der 1990er Jahre wie auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch Schriftsteller und Journalisten aus zahlreichen Krisenherden nach Deutschland. Für mehr als zwei Dutzend bildete der Exil-PEN das Auffangbecken. Dieser Zustrom aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, aus der Russischen Föderativen Republik, aus Rumänien, aus dem Iran, Syrien, Kuba, Vietnam, der Türkei stellte das Zentrum der Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder vor neue Aufgaben. Während die Tagungen und Lesungen in der ersten Hälfte des ersten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert noch einen bestimmten postkommunistischen Nachhalleffekt aufwiesen, widmeten sich die folgenden Tagungen eher globalen Auswirkungen in einer medial gesteuerten Welt. Außerdem verstärkte sich die Tendenz, interkulturelle Problemfelder aufzuarbeiten. Aufgrund dieses Wandels in der Vereinsarbeit sind Frage nach der bundesweiten Funktion einer Exil-Organisation zu stellen. Soll sie sich in Kooperation mit bestehenden Kultureinrichtungen betätigen und in Anbindung an Literaturfestivals ihre exilspezifischen Aufgaben erfüllen? Soll sie sich noch intensiver auf dem Feld der Betreuung von inhaftierten Autoren weltweit engagieren? Dient die individuelle Förderung von exilierten Autoren der späteren Zusammenarbeit mit nationalen Literatureinrichtungen? Soll sie zum Sprachrohr von nationalen und ethnischen Minderheiten werden, um deren emanzipatorische Bemühungen zu unterstützen? Der mit bescheidenen finanziellen Mitteln ausgestattete Verein verfolgte in den letzten sieben Jahren eine aus verschiedenen Aspekten gebündelte Aktivität, in der die Veranstaltung von Tagungen und Lesungen in Deutschland und benachbarten Ländern, die Mitverantwortung bei der Durchführung von Festivals, die vereinzelte Betreuung von Autoren bei Veröffentlichung von Büchern in der Form von Vor- und Nachworten wie auch von Übersetzungen, das politische und kulturelle Engagement für in Diktaturen verfolgte und inhaftierte Schriftsteller und Journalisten ein breites Spektrum unterschiedlicher Tätigkeiten bildete. …

Es folgen Danksagungen an Hans Lindemann, Samuel Beer, Herrn König ….

 

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