Liebe Freunde des Zentrums der Schriftsteller/innen deutschsprachiger Länder im Internationalen P.E.N.,

es mag überraschend sein, dass sich Euer Präsident am Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober 2018, an alle unsere Mitglieder und Sympathisanten mit einer Erklärung wendet. Wie Ihr in meiner länger als zehn Jahre währenden „Dienstzeit“ in Erfahrung bringen konntet, bin ich kein Vertreter einer ausschließlich nationalen Präsentation unserer literarischen und kulturpolitischen Interessen. Vielmehr habe ich mich in diesem Dezennium stets um eine transnationale, multi- und interkulturelle Repräsentanz unserer Exil-P.E.N.-Vereinigung bemüht. In diesem Zeitraum habe ich die Publikationen unserer Mitglieder in mehr als zehn deutschsprachigen Zeitschriften, Internet-Medien und Tageszeitungen nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in deutschsprachigen Medien in der Tschechischen Republik, in Österreich, der Schweiz und in Rumänien in Form von Rezensionen und Artikeln gefördert. Ein kleiner Teil dieser Rezensionen und Besprechungen ist auf der website unseres Vereins unter www.exil-PEN.de nachzulesen. Parallel zu diesen Veröffentlichungen habe ich im Namen unserer Vereinigung und unseres Präsidiums zahlreiche Petitionen, Resolutionen und Memoranda publiziert, um die demokratische Haltung unserer literarischen Vereinigung gegenüber den zahlreichen Verletzungen elementarer Menschenrechte in autokratischen und diktatorischen Regimen zum Ausdruck zu bringen.
Warum wende ich mich ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit, sogar ohne Absprache mit unserem Präsidium, an Euch? Es sind die gesellschaftlich bedrohliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, die sich abzeichnenden parallelen Gesellschaften, der verdeckte und offene Antisemitismus in unterschiedlichen sozialen Bereichen, und es sind die immer frecher auftretenden rechtspopulistischen und neonazistischen Cliquen, die von unserer kleinen Interessenvertretung der im deutschen Exil lebenden Schriftsteller/innen und Journalisten eine entschiedene Abwehrhaltung erforderlich machen. Es geht also an diesem Tag vor allem nicht um eine Beweihräucherung der in den vergangenen 28 Jahren erzielten bescheidenen Erfolge bei der Integration von legal Eingewanderten und von politischen Flüchtlingen mit Asylrecht in die Lebens- und Arbeitswelt der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich in meiner Erklärung vor allem um ein deutlicheres politisches Engagement für die Bewahrung demokratischer Grundrechte, gegen die raffinierte und zugleich dummdreiste Verleumdung aktueller Tatsachen und historischer Erkenntnisse vor allem in der rechtsradikalen Journaille, aber auch in extrem-linken, postrevolutionären Kreisen.
Ich appelliere an Euch, liebe Freunde, mit dem Blick auf diese bedrohlichen gesellschaftlichen Tendenzen: Setzt Euch mit den dreisten Verleumdungen demokratischer Gepflogenheiten journalistisch auseinander, macht alltagspolitische Ereignisse und deren kritische Karikierung in Presse und Rundfunkt zum Thema Eurer literarischen Arbeiten, schreibt über die Reaktionen Eurer Nachbarn nach Überfällen auf Flüchtlinge oder deren Widerstand gegen unrechtmäßige Behandlung, bemüht Euch um die Darstellung der materiellen Situation von immigrierten Bürgerinnen und Bürgern, seid mutig, resigniert nicht, weil das Internet nur noch flüchtige Eindrücke vermittelt und die öffentliche Meinungsbildung sich „verflüssigt“. Ich würde mich über ein kontroverses Echo auf meine Erklärung freuen. Auf jeden Fall sammeln wir Eure literarischen Beiträge für unsere nächste Anthologie. Und die wird fetzig werden.
Wolfgang Schlott

Bremen/Regensburg, 3. Oktober 2018

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